Jutai -weiches Training

Ulrika Bosaeus, Stockholm. Foto: Magnus Hartman.
Ulrika Bosaeus, Stockholm. Foto: Magnus Hartman.


Das Wort go in gotai bedeutet eigentlich hart, aber in diesem Zusammenhang trifft statisch besser zu. Der nächste Schritt, jutai, ist jedoch ein markierter Gegensatz zu dem harten: ju bedeutet weich — das ist das selbe Wort wie in Judo und Ju-Jutsu.

       Jutai ist das weiche Training, und es ergibt sich als völlig logische Folge des statischen Trainings. Gotai öffnet den Weg zu der weichen Methode, wird faktisch eine weiche Methode, je mehr man trainiert. Der harte Griff wird aufgeweicht und aufgelöst, die steife Position wird verwandelt in eine wogende Bewegung. In jutai geschieht das nicht im nachhinein, sondern schon von Anfang an. Man leitet die Aikidotechnik ein, bevor der Angriff vollendet ist, bevor der Griff voll und ganz um sein Ziel geschlossen wird. Wenn der Partner für seinen Angriff nach vorne geht, macht auch der Verteidiger den einleitenden Schritt in seiner Aikidotechnik. Nur in dem Augenblick, bevor der Angriff beginnt, stehen beide still.

       Der erste Schritt ist die nach vorne gehende und gleichzeitig weggleitende Bewegung, irimi oder tenkan, omote oder ura. Auch in diesem Schritt sind die Richtung des Bauchs und die Hüftbewegung das Wichtige. Wenn die Hüfte gedreht wird, verschwindet man als Zielscheibe, ungefähr wie wenn eine Tür aufgeht, und man kommt neben dem Angreifer an, mit dem Bauch in seine Richtung weisend. Damit hat man einen unschätzbaren Vorteil — der Partner hat seine Kraft und seinen Bauch nach vorne gerichtet, in die Richtung, in der sich seine Zielscheibe zuerst befand, während der Verteidiger mit gutem Spielraum in der Sphäre des Partners ist und all seine Kraft auf diesen gerichtet hat. Der Partner benötigt einen vergleichsweise langen Zeitraum, um seinen Körper und seine Kraft umzulenken, und während dieser Zeit kann der Verteidiger tun, was ihm einfällt.

       Das was ihm einfällt, ist eine Aikidotechnik, die die Kraft des Partners in die falsche Richtung führt, dorthin, wo er keinen Schaden ausrichten kann, und ihn dann zu Fall bringt. Nur wenn der Partner seinen Kraftfluss aufzuhalten und die Bewegung zu stoppen vermag, hat er die Chance, in einer neuen Richtung zu attackieren. Die Aikidotechnik gibt ihm keine solche Chance. Was sie tut ist, ihn in seinem Angriff weiterzuleiten, länger als er sich gedacht hat, ihn aber im Besitz einer Art Hoffnung zu lassen, so dass er in seinem Körper das Gefühl hat, dass er sich andauernd in voller Fahrt befindet, um seinen Gegner zu besiegen - obwohl er keine Ahnung mehr hat, wie.


Peter Spangfort. Foto: Binge Eliasson.
Peter Spangfort. Foto: Binge Eliasson.


       In jutai gibt es nur zwei Momente des Stillstands — teils bevor der Angriff eingeleitet wird, wenn die Kontrahenten einander im korrekten Abstand ma-ai betrachten, und teils zu Ende der Technik in einem Festhaltegriff oder nach einem Wurf, der den Partner zu Boden gebracht hat.

       Was vor allem in jutai geübt wird, ist taisabaki, die Drehung des Körpers, die dazu führt, dass der Angriff sein Ziel verpasst. Gleichzeitig wird dadurch die Aikidotechnik eingeleitet. Im Vergleich zu gotai hat man ganz einfach seine Hüftbewegung und damit seine Schritte zeitlich vorverlegt. Die Bewegung, die einem in gotai erlaubte, sich aus dem harten Griff zu lösen, führt in jutai dazu, dass der Griff niemals Halt bekommt.

       Das ist die normalere Art, Aikidotechniken auszuführen, und außerdem wird es jetzt auch möglich, sich in der Verteidigung gegen Hiebe, Schläge und Fußstöße zu trainieren — so etwas ist natürlich unpassend aus einer statischen Position. Es führt auch automatisch dazu, dass man von einer schrittweisen Ausführung von Aikidotechniken wegkommt. Man bekommt immer mehr ein Aikido, in dem sämtliche Momente zusammen fließen und eine einzige, zusammenhängende Bewegung bilden. Damit nähern wir uns ki nagare.


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Aikido — die friedliche Kampfkunst.

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VORWORT
Vorwort zur zweiten Auflage


DIE PRINZIPIEN DES AIKIDO
Die unmögliche Kampfkunst
Kein Gegner, kein Kampf
Morihei Ueshibas Weg
Wasser, Luft und Vakuum
So wie die Jungen
Weiblicher Vorteil
Von sich werfen
Können oder lernen
Hier und jetzt
Gemeinsame Fahrt
Die Sache mit der Selbstverteidigung
Wohlbehagen


DIE GRUNDLAGEN DES AIKIDO
Do — der Weg
Ki — Lebensenergie
Ai — Harmonie
Dreieck, Kreis und Quadrat
Tanden — das Zentrum des Körpers
Aiki — Rhythmus und Richtung
Kiai — Kraft sammeln
Kamae — die perfekte Stellung
Kokyu — Bauchatmung
Ma-ai — der sichere Abstand
Irimi, tenkan — nach innen, nach außen
Omote, ura — Vorderseite, Rückseite
Gotai — statisches Training
Jutai — weiches Training
Ki nagare — fließendes Training
Zanshin — der ausgestreckte Geist
Uke — der geführt wird
Keiko — trainieren, trainieren, trainieren
Takemusu — grenzenlose Improvisation
Nen — eins mit dem Augenblick
Kototama — die Seele der Wörter


AIKIDO — die friedliche Kampfkunst
Stefan Stenudd

Übersetzung: Sabine Neumann
© Stefan Stenudd 2006. Arriba Verlag.

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Stefan Stenudd

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About me
I'm a Swedish author of fiction and non-fiction books in both English and Swedish. I'm also an artist, a historian of ideas, and a 7 dan Aikikai Shihan aikido instructor. Click the header to read my full bio.